Bedingter Ausgleich von Überhangmandaten

Alternative 3a: Reparatur des Bundestagswahlrechts durch Ausgliedern von Überhanglisten und nachfolgende Anpassung der Bundestagsgröße an den Parteienproporz. Vollständiger Ausgleich von Überhangmandaten bis 630 Bundestagssitze, ab 630 Sitzen nur noch Teilausgleich bis max. 15 Überhangmandate verbleiben.

Lösungsmöglichkeit zur Reparatur der drei am Bundeswahlgesetz in der von 03.12.2011 bis 25.07.2012 geltenden Fassung kritisierten Punkte:

  1. Rückkehr zu Ober- und Unterverteilung. Vor der Oberzuteilung erfolgt eine direktmandatsbedingte Erstzuteilung an die Parteien, in der die Direktmandate je Landesliste berücksichtigt werden. Negative Stimmgewichte sind in diesem Schritt ausgeschlossen. Nur zuteilungsberechtigten Stimmen kommt ein Gewicht zu.
  2. Die Bundestagsgröße wird in einem Anpassungsschritt angehoben, bis sich bei Verteilung nach Sainte-Laguë Proporz zwischen den Parteien einstellt. Da die Landeslisten gleicher Partei hierbei nicht getrennt sind, begegnen die Landeslisten in kleinen Ländern keiner erhöhten natürlichen Sperrklausel. Absolutes negatives Stimmgewicht ist in diesem Schritt möglich, relatives negatives Stimmgewicht jedoch bis auf Rundungsrauschen ausgeschlossen.
  3. Die Anpassung der Bundestagsgröße an den Parteiproporz garantiert bundesweite Erfolgswertgleichheit der Zweitstimmen. Hiervon wird abgewichen, sofern der Ausgleich mehr als 630 Sitze erfordert, in diesem Fall sind bis zu 15 Überhangmandate zulässig.

Auszug der zu ändernden Paragraphen (Alternative Formulierung):

§ 6 Oberzuteilung an die Parteien auf Bundesebene

(1) [Zuteilungsberechtigung] 1Für die Verteilung der nach den Landeslisten der Parteien zu besetzenden Sitze werden nur Parteien berücksichtigt, die mindestens 5 vom Hundert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. 2Satz 1 findet auf Parteien nationaler Minderheiten keine Anwendung. 3Nicht berücksichtigt werden die Zweitstimmen derjenigen Wähler, die ihre Erststimme für einen im Wahlkreis erfolgreichen Bewerber abgegeben haben, der nicht von einer nach Satz 1 zu berücksichtigenden Partei vorgeschlagen ist.
(2) [Mindestsitze] 1Von der Gesamtsitzzahl (§ 1 Abs. 1) wird die Zahl der erfolgreichen Wahlkreisbewerber abgezogen, die nicht von einer nach Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigenden Partei vorgeschlagen sind; die verbleibenden Sitze werden wie folgt an die Parteien vergeben. 2Für jede Landesliste wird die Zahl ihrer Zweitstimmen durch einen Zuteilungsdivisor (Erstzuteilungsdivisor) geteilt. 3Das ungerundete Teilungsergebnis oder, falls größer, die Zahl der von ihren Bewerbern in den Wahlkreisen errungenen Sitze, ist der vorläufige Sitzanteil der Landesliste. 4Die Mindestsitzzahl einer Partei ergibt sich als die gemäß § 7 Abs. 3 zur nächsten ganzen Zahl gerundete Summe der vorläufigen Sitzanteile ihrer Landeslisten. 5Der Zuteilungsdivisor ist gemäß § 7 Abs. 4 so zu bestimmen, dass den Parteien alle nach Satz 1 zu vergebenden Sitze zugeteilt werden.
(3) [Oberzuteilung] 1Für jede Partei wird die Summe ihrer Zweitstimmen durch einen Zuteilungsdivisor (Bundesdivisor) geteilt. 2Das gemäß § 7 Abs. 3 zur nächstliegenden ganzen Zahl gerundete Teilungsergebnis ist die Sitzzahl der Partei. 3Der Zuteilungsdivisor ist gemäß § 7 Abs. 4 so zu bestimmen, dass alle zu vergebenden Sitze zugeteilt werden. 4Die Zahl zu vergebender Sitze ist in der Regel die kleinste Zahl, bei der jede Partei ihre Mindestsitzzahl erreicht oder übertrifft. 5Wären nach Satz 4 mehr als 630 Sitze zu vergeben, so bestimmt sich die Zahl zu vergebender Sitze als kleinste Zahl, beginnend bei 630, bei welcher höchstens 15 Überhangmandate anfallen. 6Die Zahl der Überhangmandate errechnet sich als Gesamtzahl der positiven Abweichungen der Mindestsitzzahlen der Parteien von ihren jeweiligen Sitzzahlen nach Satz 2.
(4) [Mehrheitsklausel] 1Erhält eine Partei, auf die mehr als die Hälfte der zu berücksichtigenden Zweitstimmen entfallen ist, nicht mehr als die Hälfte aller Sitze, werden für sie so viele weitere Sitze geschaffen, bis sie über eine absolute Sitzmehrheit verfügt. 2Eine erneute Berechnung nach Abs. 3 findet nicht statt.

§ 7 Unterzuteilungen an die Landeslisten der Parteien

(1) [Unterzuteilung] 1Die nach § 6 einer Partei zustehenden Sitze werden ihren Landeslisten zugeteilt unter der Maßgabe, dass die Sitzzahl einer Landesliste nicht kleiner ist als die Zahl der von der Partei in den Wahlkreisen des Landes errungenen Sitze. 2Für jede Landesliste wird die Summe ihrer Zweitstimmen durch einen Zuteilungsdivisor (Parteidivisor) geteilt. 3Das gemäß Abs. 3 zur nächstliegenden ganzen Zahl gerundete Teilungsergebnis oder, falls größer, die Zahl der von der Partei in den Wahlkreisen des Landes errungenen Sitze ist die Sitzzahl der Landesliste. 4Der Zuteilungsdivisor ist gemäß Abs. 4 so zu bestimmen, dass alle der Partei zustehenden Sitze zugeteilt werden.
(2) [Mandatierung] 1Von der für jede Landesliste so ermittelten Abgeordnetenzahl wird die Zahl der von der Partei in den Wahlkreisen des Landes errungenen Sitze abgerechnet. 2Die restlichen Sitze werden aus der Landesliste in der dort festgelegten Reihenfolge besetzt. 3Bewerber, die in einem Wahlkreis gewählt sind, bleiben auf der Landesliste unberücksichtigt. 4Entfallen auf eine Landesliste mehr Sitze als Bewerber benannt sind, so bleiben diese Sitze unbesetzt.
(3) [Standardrundung] 1Die Teilungsergebnisse in Abs. 1 und § 6 Abs. 2 werden wie folgt gerundet. 2Zahlenbruchteile unter 0,5 werden auf die darunter liegende ganze Zahl abgerundet, solche über 0,5 werden auf die darüber liegende ganze Zahl aufgerundet. 3Zahlenbruchteile, die gleich 0,5 sind, werden so aufgerundet oder abgerundet, dass die Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze eingehalten wird; ergeben sich dabei mehrere mögliche Sitzzuteilungen, so entscheidet das vom Bundeswahlleiter zu ziehende Los.
(4) [Divisorbestimmung] 1Der jeweilige Zuteilungsdivisor in Abs. 1 oder § 6 Abs. 2 wird wie folgt bestimmt. 2Zunächst wird die Gesamtzahl der jeweiligen Zweitstimmen durch die Gesamtzahl der jeweils zu vergebenden Sitze geteilt. 3Werden danach mehr Sitze zugeteilt als zu vergeben sind, ist der Zuteilungsdivisor so heraufzusetzen, bis die Zahl der zu vergebenden Sitze erreicht ist; werden zu wenig zugeteilt, ist er entsprechend herunterzusetzen.

Folgeänderungen:
In § 3 Abs. 1 Nr. 2 ist "Abs. 2 Satz 2 bis 7" durch "Abs. 3 Satz 1 bis 3" zu ersetzen.
In § 46 Abs. 2 ist "§ 6 Abs. 4 Satz 3" durch "§ 7 Abs. 2 Satz 3" zu ersetzen.
In § 48 Abs. 1 Satz 2 ist "Mandate gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1" durch "Überhangmandate" zu ersetzen.

Die Idee die Quotienten der Landeslisten in § 6 II nicht zu runden, und gleichzeitig Überhanglisten auszugliedern, ist inspiriert durch Martin Fehndsrichs Idee Überhanglisten aus einer Listenverbindung auszugliedern, wenn für sie Direktmandate*Bundesdivisor>Zweitstimmen ist. Jedoch ergibt sich im hier genannten Modell nur ein Erstzuteilungsdivisor, wohingegen Martin Fehndrichs Lösung parteispezifischer Bundesdivisoren bedingt.

An die Stelle der Unterzuteilung nach § 7 Abs. 1 könnte auch eine Mandatierung der nach § 6 Abs. 3 über die Regelgröße von 598 Mandaten hinzutretenden Sitze aus Bundeslisten der Parteien treten.

Sitzverteilungen auf Grundlage der Stimmenverhältnisse der Bundestagswahlen 1990 bis 2009

Sitze gemäß bedingtem Ausgleich von Überhangmandaten ohne GG-widriges negatives Stimmgewicht
SPD CDU Grüne FDP Linke CSU Summe
Bundestagswahl 2002 249 190 55 48 2 58 602
Bundestagswahl 2005 217 176 51 62 55 47 608
Bundestagswahl 2009 154 190 72 97 80 45 638

Simulation 2009: 7 Überhangmandate CDU, 1 Überhangmandat CSU